NGFN-Forscher entdecken neue Varianten im Schnittmuster der Gene
Der Mensch hat nicht viel mehr Gene als ein Wurm. Aber menschliche Gene können viel mehr Eiweiße (Proteine) als ein Wurm herstellen. Wie funktioniert das?

„Alternatives Spleißen“ heißt der molekulare Vorgang, der dafür abläuft:
Unsere Gene sind wie ein Mosaik aufgebaut: Zwischen Bereichen mit wichtiger Information für die Herstellung eines Proteins liegen immer wieder Abschnitte ohne Bauinformation, deren Funktion noch weitgehend unbekannt ist.

Ein Gen - zwei unterschiedliche Proteine. Das zweite "NAG" in einer Tandem-Spleißstelle "NAGNAG" ist hier grün dargestellt.

Grafik: InformationsSekretariat Biotechnologie, modifiziert)

Zur Eiweiß-Herstellung wird zunächst eine durchgängige Kopie des gesamten Gens erstellt. Aus dieser Kopie werden dann alle Bereiche ohne Information herausgeschnitten. Dieser Mechanismus des Herausschneidens, der in allen Zellen unseres Körpers stattfindet, wird in der Fachsprache als Spleißen bezeichnet.

Auf diese Weise können viele Lebewesen mit Zellkern (Eukaryoten) aus einem Gen mehr als eine Sorte von Eiweißen herstellen. Der Mensch nutzt diesen Meahnismus besonders häufig: Wissenschaftler vermuten, das von mehr als der Hälfte aller menschlichen Gene mehrere Proteine hergestellt werden. Die Zahl der Eiweiße, die so aus den etwa 25.000 menschlichen Genen entstehen können, schätzen Experten auf mindestens 90.000; es könnten aber auch 250.000 sein.

Damit an den richtigen Stellen geschnitten wird, gibt es am Übergang zwischen den Bereichen mit und den Bereichen ohne Bauinformation eine Art Erkennungskode aus drei Nukleotiden, kurz „NAG“ genannt.

Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) und des Jenaer Centrums für Bioinformatik (JCB) hatten in vorangegangenen Studien bereits gezeigt, dass bei vielen Genen diese kurze Erkennungssequenz zweimal direkt hintereinander vorkommt, sozusagen im Tandem als „NAGNAG“.

Jeder der beiden NAG-Codes kann alternativ genutzt werden. Manchmal wird die erste, manchmal aber auch die direkt dahinter liegende NAG-Markierung verwendet. Es bleibt allerdings keinesfalls dem Zufall überlassen, an welcher der beiden Spleiß-Erkennungsstellen zusammengeschnitten wird: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass in bestimmten Geweben des Körpers nur eine der beiden Markierungen genutzt wird.

So können also aus einem Gen zwei verschiedene Proteine entstehen, die sich nur geringfügig voneinander unterscheiden: Je nachdem, welche Spleißstelle verwendet wird, ist das resultierende Protein um einen Baustein länger oder kürzer oder es wird ein Protein-Baustein gegen zwei andere ausgetauscht.

Fehlerhafte oder veränderte Spleißmuster sind die Ursache für zahlreiche menschliche Krankheiten. Aus diesem Grund haben jetzt die Wissenschaftler um Matthias Platzer aus Jena und Kiel das menschliche Erbgut systematisch nach Variationen an diesen NAGNAG-Spleißstellen in der menschlichen Population durchsucht.

Das Ergebnis der aktuellen Studie: Bei manchen Menschen kann an bestimmten Positionen im Erbgut alternativ gespleißt werden, bei anderen aber nicht. Die Forscher identifizierten insgesamt 64 genetische Veränderungen, die für Spleißen an NAGNAG-Stellen relevant sind. Diese Variationen bestimmen, welche Proteinsorten von dem betroffenen Gen hergestellt werden.

Fast ein Drittel der veränderten Spleißstellen befinden sich in bereits bekannten Krankheitsgenen, die bei der Entstehung von Asthma, Brustkrebs, Leukämie und anderen Krankheiten beteiligt sind. Die jetzt von den NGFN-Forschern gefundenen Variationen der NAGNAG-Stellen führen entweder zu einer erhöhten oder zu einer verringerten Variabilität der jeweiligen Proteine und könnten so die Entstehung oder den Verlauf von zahlreichen Krankheiten beeinflussen.

„Wir hoffen nun, dass unsere Ergebnisse Anstoß für weitere Studien im Rahmen des NGFN sind, die klären, ob es eine Verbindung zwischen der veränderten Spleißstelle und dem Auftreten einer bestimmten Erkrankung gibt", erklärt Dr. Matthias Platzer. "Vielleicht ergeben sich so neue Ansatzpunkte für eine effektive Prophylaxe oder Therapie."

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