GENETISCHE VARIANTEN:
Die kleinen Unterschiede, die uns unverwechselbare Individuen machen
Es sind die kleinen Unterschiede, die uns zu unverwechselbaren Individuen machen. Denn abgesehen vom Sonderfall eineiiger Zwillinge gleicht kein Erbgut dem anderen. Erbgut dem anderen: Jeder Mensch hat seinen eigenen, individuell gemixten Cocktail an Genvarianten. Diese Mischung bestimmt unsere Augenfarbe, die Farbe der Haare und zum Teil unsere Persönlichkeit. Diese Genvariationen machen uns aber auch anfällig für Krankheiten und beeinflussen die Wirksamkeit von Medikamenten. Sie bestimmen, ob der eine leichter Übergewicht bekommt oder eher zu Asthma neigt als der andere; sie legen fest, wie gut depressive Patienten auf Medikamente.

Der Großteil dieser individuellen Gen-Unterschiede beruht auf winzigen Abweichungen im Erbgut: auf der Veränderung nur eines Buchstaben im Alphabet der DNA. Vereinfacht kann man sich die DNA als einen langen Faden vorstellen, bei dem 3,2 Milliarden Buchstaben aneinandergereiht sind. Die Reihenfolge der Gen-Buchstaben ist wichtig und festgelegt. Wenn wir die Reihenfolge der Gen-Buchstaben zwischen zwei Menschen vergleichen, sehen wir manchmal Unterschiede in einzelnen Gen-Buchstaben. Zum Beispiel würde eine Person an einer bestimmten Stelle den Gen-Buchstaben "A" haben, während sich an der entsprechenden Stelle einer anderen Person der Gen-Buchstabe "T" befindet.

Wenn wir also am DNA-Strang entlang gehen würden, würden wir in einem Abstand von etwa 1000 Gen-Buchstaben auf solche Varianten treffen. Insgesamt haben die Forscher auf der DNA des Menschen etwa 1,4 Millionen solcher Stellen gefunden, an denen Unterschiede in einzelnen Gen-Buchstaben vorkommen. Solche kleinen Veränderungen nennt man SNPs. SNP steht für das englische Wort "single nucleotide polymorphism", was übersetzt so viel heisst wie "Variation bei einem einzelnen Gen-Buchstaben". 

Streng genommen handelt es sich bei SNPs um Mutationen. SNPs verteilen sich wahllos über das gesamte Genom. Rund jeder 500. bis 1000. Gen-Buchstabe wurde ausgetauscht. Die meisten dieser Varianten sind ohne große Auswirkungen, denn nur ein kleiner Teil des Erbguts enthält die eigentliche Konstruktionsanleitung für ein Lebewesen. Der Rest des genetischen Material - etwa 98% - wird meist "Müll-DNA" genannt. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht ganz fair, denn diese Bereiche des Erbguts haben vielleicht andere, bisher nicht bekannte Funktionen.

Hat der Basentausch also in einem DNA-Bereich ohne Gene stattgefunden, bleibt der Austausch ohne Auswirkung. Betrifft der Basenaustausch aber ein Gen, beeinflusst er direkt das Genprodukt – also das Protein oder RNA-Molekül – und kann so die Entstehung einer Krankheit fördern.
Bildlich gesprochen könnte man das Erbgut mit dem Prospekt eines Möbelstückes vergleichen, in dem sich die Bauanleitung und viele Seiten mit Werbung befinden. Ist ein Druckfehler in den Werbe-Seiten enthalten, betrifft das nicht den Zusammenbau des Möbelstückes. Ein Druckfehler in der eigentlichen Anleitung, kann jedoch dazu führen, dass Teile des Möbelstückes anders zusammengebaut werden und sich eine Variante des Möbelstückes ergibt.

So ist es auch mit den Genen: Das Eiweiß, dessen Bauanleitung im veränderten Gen enthalten ist, wird entweder gar nicht mehr hergestellt oder fehlerhaft zusammengebaut, so dass es nicht mehr richtig funktioniert.

Die dauerhaften Veränderungen in Genen können Krankheiten verursachen oder zumindest zu einer veränderten Anfälligkeit gegenüber Krankheiten führen. Ein Beispiel: Bestimmte genetische Varianten in der Bauanleitung für den Blutfarbstoff Hämoglobin verursachen die Krankheit Sichelzellanämie. Gleichzeitig sind die Betroffenen aber auch widerstandfähiger gegenüber dem Malaria-Erreger ("Malaria: Genseits von Afrika")

Die Gen-Variationen sind auch der Grund dafür, warum die Menschen auf bestimmte Medikamente unterschiedlich ansprechen. Das liegt daran, dass die kleinen Veränderungen in den Genen auch zu Unterschieden in den Eiweißen führen, deren Baupläne ja in den Genen enthalten ist. Auf diese Weise beeinflussen die Gen-Varianten, also die SNPs, wie effizient ein Medikament aufgenommen wird, und wie es im Körper wirkt.

Zum Beispiel gibt es Eiweiße, die für den Abbau von Medikamente zuständig sind. Aufgrund der Veränderungen in genetischen Bauplan, sind diese Eiweiße bei manchen Menschen so verändert, dass sie Medikamente nicht oder nur sehr langsam aus dem Körper entfernen.

Ein anderes Beispiel: Bei manchen Patienten wirkt ein Medikament gar nicht, obwohl bei anderen Menschen mit dem gleichen Arzneimittel gute Heilungs-Chancen erreicht werden. Die meisten Medikamente funktionieren so, dass sie an ein schädliches Eiweiß andocken müssen, um seine gefährliche Aktivität zu blockieren. Gerade an der Andockstelle ist das Eiweiß aber manchmal genetisch bedingt so verändert, dass das Medikament sich nicht mehr dort anlagern kann und deshalb wirkungslos bleibt.

Ein wichtiges Ziel des Nationalen Genomforschungsnetzes ist es, das Wissen über die genetischen Varianten zu nutzen, um herauszufinden, welche Medikamente für einen bestimmten Patient am besten sind. Dann könnte man für jeden Kranken eine maßgeschneiderte Therapie entwickeln.

 

 
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