Der Großteil dieser individuellen Gen-Unterschiede beruht auf winzigen Abweichungen im Erbgut: auf der Veränderung nur eines Buchstaben im Alphabet der DNA. Vereinfacht kann man sich die DNA als einen langen Faden vorstellen, bei dem 3,2 Milliarden Buchstaben aneinandergereiht sind. Die Reihenfolge der Gen-Buchstaben ist wichtig und festgelegt. Wenn wir die Reihenfolge der Gen-Buchstaben zwischen zwei Menschen vergleichen, sehen wir manchmal Unterschiede in einzelnen Gen-Buchstaben. Zum Beispiel würde eine Person an einer bestimmten Stelle den Gen-Buchstaben "A" haben, während sich an der entsprechenden Stelle einer anderen Person der Gen-Buchstabe "T" befindet.
Wenn wir also am DNA-Strang entlang gehen würden, würden wir in einem Abstand von etwa 1000 Gen-Buchstaben auf solche Varianten treffen. Insgesamt haben die Forscher auf der DNA des Menschen etwa 1,4 Millionen solcher Stellen gefunden, an denen Unterschiede in einzelnen Gen-Buchstaben vorkommen. Solche kleinen Veränderungen nennt man SNPs. SNP steht für das englische Wort "single nucleotide polymorphism", was übersetzt so viel heisst wie "Variation bei einem einzelnen Gen-Buchstaben".
Streng genommen handelt es sich bei SNPs um Mutationen. SNPs verteilen sich wahllos über das gesamte Genom. Rund jeder 500. bis 1000. Gen-Buchstabe wurde ausgetauscht. Die meisten dieser Varianten sind ohne große Auswirkungen, denn nur ein kleiner Teil des Erbguts enthält die eigentliche Konstruktionsanleitung für ein Lebewesen. Der Rest des genetischen Material - etwa 98% - wird meist "Müll-DNA" genannt. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht ganz fair, denn diese Bereiche des Erbguts haben vielleicht andere, bisher nicht bekannte Funktionen.
Hat der Basentausch also in einem DNA-Bereich ohne Gene stattgefunden, bleibt der Austausch ohne Auswirkung. Betrifft der Basenaustausch aber ein Gen, beeinflusst er direkt das Genprodukt – also das Protein oder RNA-Molekül – und kann so die Entstehung einer Krankheit fördern.
So ist es auch mit den Genen: Das Eiweiß, dessen Bauanleitung im veränderten Gen enthalten ist, wird entweder gar nicht mehr hergestellt oder fehlerhaft zusammengebaut, so dass es nicht mehr richtig funktioniert.
Die dauerhaften Veränderungen in Genen können Krankheiten verursachen oder zumindest zu einer veränderten Anfälligkeit gegenüber Krankheiten führen. Ein Beispiel: Bestimmte genetische Varianten in der Bauanleitung für den Blutfarbstoff Hämoglobin verursachen die Krankheit
Sichelzellanämie. Gleichzeitig sind die Betroffenen aber auch widerstandfähiger gegenüber dem Malaria-Erreger ("Malaria: Genseits von Afrika")Die Gen-Variationen sind auch der Grund dafür, warum die Menschen auf bestimmte Medikamente unterschiedlich ansprechen. Das liegt daran, dass die kleinen Veränderungen in den Genen auch zu Unterschieden in den Eiweißen führen, deren Baupläne ja in den Genen enthalten ist. Auf diese Weise beeinflussen die Gen-Varianten, also die SNPs, wie effizient ein Medikament aufgenommen wird, und wie es im Körper wirkt.
Zum Beispiel gibt es Eiweiße, die für den Abbau von Medikamente zuständig sind. Aufgrund der Veränderungen in genetischen Bauplan, sind diese Eiweiße bei manchen Menschen so verändert, dass sie Medikamente nicht oder nur sehr langsam aus dem Körper entfernen.
Ein wichtiges Ziel des Nationalen Genomforschungsnetzes ist es, das Wissen über die genetischen Varianten zu nutzen, um herauszufinden, welche Medikamente für einen bestimmten Patient am besten sind. Dann könnte man für jeden Kranken eine maßgeschneiderte Therapie entwickeln.