Von Beethoven und anderen Mäusen
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Als der sehr hohe, kaum hörbare Ton erschallt, schrickt der kleine Patient kurz zusammen: Hörtest bestanden! Es ist nur eine von vielen Stationen im Gesundheits-Check-up, die jeder Patient in der ungewöhnlichen Klinik in Neuherberg/München durchlaufen muss. Das Besondere an dieser Klinik: Die Patienten sind keine Menschen – es sind Mäuse!

Im Alter von neun Wochen geht es los: In der Deutschen Mausklinik (German Mouse Clinic, GMC) werden die Mäuse auf Herz und Nieren geprüft. Als erstes wiegen und vermessen Klinik-Mitarbeiter die Mäuse und untersuchen, ob Auffälligkeiten vorliegen. Anschließend tragen sie alle Ergebnisse und das Geburtsdatum in eine Datenbank ein. Doch damit nicht genug: Insgesamt vierzehn Stationen werden die Mäuse in den nächsten zwei Monaten durchlaufen. Verhalten und Lungenfunktion gehören dabei ebenso untersucht wie Gehirn, Herz-Kreislauf-System und Allergien –kein wichtiger Bereich wird ausgelassen. „Selten wird ein Patient so umfassend durchgecheckt wie unsere Mäuse“, sagt Professor Martin Hrabé de Angelis, Direktor der Deutschen Mausklinik. „Unser Ziel ist es, Tiermodelle für genetisch bedingte menschliche Krankheiten zu finden, um diese besser zu verstehen.“

Das Mäuseprojekt ist ein Teil des Nationalen Genomforschungsnetzes, in dem die Kooperation von Wissenschaftlern aller Fachrichtungen gefördert wird. Ärzte und Genforscher, sie alle können von den kranken Mäusen in der Mäuseklinik eine Menge lernen.

Wie zum Beispiel von der Beethoven-Maus, die wie ihr berühmter Namensgeber taub ist. Die Beethoven-Maus hatte den Hörtest nicht bestanden. Als die Wissenschaftler nachforschten, weshalb diese Maus nicht hören kann, stellten sie fest, dass die Haarzellen des Innenohrs nicht mehr vorhanden waren. Solche Haarzellen braucht man, um Schallwellen aufzunehmen.

Die Taubheit der Beethoven-Maus ist erblich, denn auch bei den Nachkommen degenerieren die Haarzellen. Um der Krankheitsursache auf die Spur zu kommen, musste man also nach einer Veränderung im Erbgut suchen. Eine Sisyphos-Arbeit, denn jede Maus besitzt etwa 25.000 Gene.

Aber die Gen-Fahnder waren erfolgreich. Sie fanden die Veränderung in einem Gen namens Tmc1. Tmc1 enthält die Bauanleitung für ein Eiweiß, das in der Hülle der Haarzellen vorkommt.

Sind diese Forschungsergebnisse auch auf den Menschen übertragbar? In vielen Fällen sind die Krankheitsursachen bei Maus und Mensch sehr ähnlich, denn das Erbgut von Mensch und Maus ist fast zu 95 Prozent identisch. Man untersuchte Familien, in denen im Alter ein Gehörverlust auftritt. Und tatsächlich: Manche dieser Familien hatten Veränderungen im menschlichen Tcm1-Gen.

Dank der Beethovenmaus kennt man jetzt also eine weitere Ursache für Taubheit und kann gezielt nach Behandlungsmöglichkeiten suchen.

Seite 2: Blitzsaubere Zimmer für die Mäuse - warum keine Krankheitserreger in die Mausklinik hineinkommen dürfen.

 
 
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