Forscher entdecken ein Gen für Verfolgungswahn

NGFN-Wissenschaftler suchen nach den genetischen Ursachen für psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolare Erkrankung und Depression.

Da ist das Gefühl, dass alle einem etwas Böses wollen und man verfolgt wird – von Freunden, Arbeitskollegen, ja sogar vom Geheimdienst. Ständig wird man beobachtet. Überall sind diese kleinen Kameras versteckt: im Küchenschrank, in der Nachttischlampe, in der ganzen Stadt.
Menschen, die so denken oder ähnlich fühlen, leiden an Verfolgungswahn.

Verfolgungswahn ist eines der typischen Symptome der Schizophrenie. Aber auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen tritt dieses Symptom auf, so zum Beispiel bei einer bipolaren Erkrankung. Charakteristisch für das Krankheitsbild der bipolaren Erkrankung (bi- = „zwei”; lateinisch) ist der häufige Stimmungswechsel zwischen den zwei Polen „depressiv“ und „himmelhoch jauchzend“.  Die bipolare Störung wird auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet.

Schizophrene Störungen sind gekennzeichnet durch Störungen und Veränderungen des Denkens, Fühlens, Handelns und des Ich-Erlebens. Das eindrücklichste Merkmal bei schizophrenen Störungen sind die Wahnvorstellungen und Trugwahrnehmungen (Halluzinationen).

Nun haben Wissenschaftler aus dem Nationalen Genomforschungsnetz ein Risiko-Gen entdeckt, das bei beiden Krankheitsbildern vorkommt. Die Forscher aus Mannheim und Bonn fanden im Erbgut von einigen Schizophrenie-Patienten und einigen bipolar Erkrankten eine Abwandlung des Gens G72. Die Patienten, bei denen die NGFN-Wissenschaftler fündig wurden, hatten eines gemeinsam: Sie litten an Verfolgungswahn.

„Es gibt also einen Zusammenhang zwischen der Variante des Gens G72 und dem Verfolgungswahn", erklärt Thomas G. Schulze vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. „Dass wir diese Genvariante sowohl bei Patienten mit Schizophrenie als auch bei Patienten mit einer bipolaren Störung gefunden haben, zeigt, dass beide Krankheiten auf der genetischen Ebene gleiche Ursachen haben können.“
Auch wenn nach gängiger Lehrmeinung Schizophrenie, manisch-depressive Erkrankung, Depression und Angststörungen unterschiedliche Erkrankungen darstellen: die Befunde der NGFN-Wissenschaftler untermauern die Hypothese, dass es bei der bipolaren Erkrankung und der Schizophrenie zum Teil sehr große Symptom-Überlappungen gibt, die auf gemeinsamen Krankheitsgenen beruhen.

„Diese Studie bestätigt erstmals, was wir Psychiater längst aus unserer klinischen Erfahrung wissen, nämlich, dass sich Patienten nicht in ein Diagnoseschema pressen lassen, welches scharf zwischen Erkrankungen trennt", so die Mannheimer Professorin Marcella Rietschel.

Die Funktion des G72-Risikogens ist noch weitgehend unbekannt. Interessant ist, dass es nur bei Menschen und Primaten vorkommt. Das Gen enthält den Bauplan für ein Protein, das an ein anderes Protein bindet, und zwar an die „D-Aminosäure-Oxidase“. Dieses Protein ist an der Produktion von bestimmten Botenstoffen beteiligt ist und beeinflusst so die Signalweiterleitung im Gehirn. Durch die Bindung wird die „D-Amino-Acid-Oxidase“ vermutlich überhaupt erst funktionsfähig.

Welche Rolle aber spielt das D-Aminosäure-Oxidase aktivierende Protein bei der Entstehung von psychischen Erkrankugen wie der Schizophrenie und der manisch-depressiven Störung? Um dies herauszufinden werden jetzt Untersuchungen an Maus-Modellen durchgeführt, in deren Erbgut ein DNA-Abschnitt des menschlichen G72-Gens eingefügt wurde. Mit Hilfe des Mausmodells kann erforscht werden, in welchen Hirnregionen das entsprechende Protein aktiv ist, wie es funktioniert und wie pharmazeutische Substanzen wirken, die gezielt in den Krankheitsmechanismus der D-Aminosäure-Oxidase eingreifen.

Webseiten der an diesem Projekt beteiligten NGFN-Wissenschaftler
     Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
      Institut für Humangenetik der Universität Bonn
      Life & Brain GmbH
 
NGFN

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