Alkoholsucht: Gestresste Mäuse greifen zur Flasche

Plötzliche Arbeitslosigkeit oder der Verlust eines Partners sind sehr belastend. Trotzdem kommen die meisten Menschen auch mit solchen Lebensphasen ganz gut klar und überwinden die tragischen Vorfälle mit der Zeit. Es gibt aber Menschen, denen das nicht gelingt. Manchmal entsteht dadurch eine Alkoholsucht. Warum ist das so?



Photo: getty images

Professor Rainer Spanagel beschäftigt sich im Nationalen Genomforschungsnetz mit den Ursachen der Alkoholabhängigkeit. Dabei hat er herausgefunden, dass bestimmte Gen-Defekte eine Alkoholsucht begünstigen. Professor Spanagel und seine Mitarbeiter untersuchten Mäuse, die unter einem genetischen Defekt leiden: Bei diesen Mäusen ist das Stressverarbeitungssystem im Gehirn gestört.

Ein wichtiger Bestandteil des Stressverarbeitungs-Systems im Gehirn ist das "Corticotropin freisetzende Hormon (CRH)". Es ist ein Botenstoff mit vielen Talenten: Stress-Koordination und die Steuerung von Gefühlen wie Angst gehören in seinen Aufgabenbereich.

Damit die Nervenzellen auf das CRH-Stresshormon reagieren können, benötigen sie eine Andockstelle für das Hormon: das "CHR1"-Protein (® CH = Corticotropin freisetzendes Hormon, das R steht für Rezeptor = Empfänger).

Die Mäuse, die Spanagel und sein Team untersuchten, besaßen einen Defekt in genau jenem Gen, das die Bauanleitung für den CRH Rezeptor trägt. Die NGFN-Wissenschaftler verglichen nun die Mäuse, bei denen durch den genetischen Defekt das CRH1-Protein nicht mehr funktioniert, mit gesunden Mäusen.

Getestet: Trinkgewohnheiten von Mäusen in Stress-Situationen.

Foto: Max-Planck-Gesellschaft

Im Experiment wurden die Käfige der Mäuse mit Flaschen ausgestattet, die entweder Wasser oder Alkohol enthielten. Sowohl die normalen Mäuse als auch die Tiere mit dem CRH1-Gendefekt waren zunächst Gelegenheitstrinker und tranken eher Wasser als Alkohol.

Doch nach einigen Wochen unter Stress, zum Beispiel durch ein kurzes Bad in Wasser oder einen fremden Artgenossen im Käfig, stieg der Alkoholkonsum der Mäuse mit dem CHR1-Gendefekt um das Dreifache. Die Mäuse ohne Gendefekt änderten ihre Trinkgewohnheiten auch unter diesen Bedingungen nicht.

Wenn das Stressverarbeitungs-System also gestört ist, dann trinken die Mäuse bei psychischer Belastung mehr Alkohol und das Risiko für Alkoholismus steigt.

Ein Defekt in der Stress-Zentrale des Gehirns: Greifen auch wir Menschen dann schneller zum vermeintlichen Streßkiller Alkohol?

Das möchte Professor Spanagel als Nächstes herausfinden. Wenn ja, dann gäbe es vielleicht einmal die Möglichkeit, Menschen, die z.B. nach tragischen Lebensereignissen zu Alkoholikern werden, zu helfen.

Alkoholsucht wird zu 50 bis 60 Prozent vererbt. Das zeigte eine Studie mit adoptierten Kindern, deren leibliche Eltern Alkoholiker waren, die aber in Pflegefamilien ohne Alkoholmissbrauch aufgewachsen waren. Diese Kinder haben ein drei bis vier Mal höheres Risiko, ebenfalls alkoholsüchtig zu werden als andere adoptierte Kinder.

 Homepage der Wissenschaftler

Alkoholkonsum und -abhängigkeit in Deutschland:

  • Im Jahr 2001 trank jeder Deutsche durchschnittlich 153 Liter alkoholische Getränke. Spitzenreiter war Bier mit 123 Litern, gefolgt von Wein (rund 20 Liter), Spirituosen (5,8 Liter) und Schaumwein (4,2 Liter).
  • Nach Schätzungen der Deutschen Hauptsstelle für Suchtforschung gibt es in Deutschland 1,6 Millionen Alkoholabhängige.
  • Rund sechs Prozent der zwölf- bis 24-Jährigen sind alkoholabhängig.
  • Wenn man riskanten Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit zusammenzählt, haben 9,3 Millionen Deutsche im Alter von 18 bis 64 Jahren ein Alkoholproblem.
  • Die Folgeschäden von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit betragen ca. 30 Milliarden Euro pro Jahr

 
NGFN

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