Fehlender Zell-Anker bringt Immunsystem aus dem Gleichgewicht
Erstes Krankheitsgen für Sarkoidose entdeckt
Thomas M. hat schon eine lange Ärzte-Odyssee hinter sich, bis ihm endlich jemand sagen konnte, woran er krank war. Es begann damit, dass er ständig müde war und dass er trocken hustete. Die Glieder schmerzten und außerdem hatte er leichtes Fieber. Die Ärzte standen vor einem Rätsel. War es eine nicht enden wollende Grippe?

Endlich erkannte ein Arzt, der eine Röntgenuntersuchung und eine Lungenspiegelung vornahm, um welche Krankheit es sich wirklich handelte: Thomas M. hatte Sarkoidose.
Gesundes, in der Zellhülle verankertes BTNL2-Eiweiß und verkürztes BTNL2-Eiweiß, das Sarkoidose verursachen kann

Gesundes, in der Zellhülle verankertes BTNL2-Eiweiß (a) und verkürztes BTNL2-Eiweiß, das Sarkoidose verursachen kann (b).

Schätzungsweise 30.000 Menschen sind in Deutschland von dieser Krankheit betroffen. Die Experten gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Denn die Sarkoidose simuliert andere Krankheiten, z.B. die Grippe, und das macht eine Diagnose sehr schwierig.

Einer Gruppe von NGFN-Wissenschaftlern unter der Leitung des Kieler Professors Stefan Schreiber ist es jetzt gelungen, etwas Licht in das Dunkel um diese rätselhafte Krankheit zu bringen: Sie entdeckten das erste Krankheits-Gen für die Sarkoidose. Durch diesen Forschungserfolg verbessern sich die Chancen erheblich, Sarkoidose früh feststellen und eines Tages auch behandeln zu können.

Sarkoidose führt zu einer Ansammlung von Immunzellen in bestimmten Organen und Geweben. Die Abwehrzellen des Immunsystems verhalten sich, als ob sie eine Entzündung bekämpfen müßten. Es gibt aber keine Entzündung, das Immunsystem schlägt Fehlalarm - mit schwerwiegenden Konseqenzen. Denn aufgrund der Immunzell-Ansammlungen bilden sich kleine Knötchen, welche die Funktion der jeweiligen Organe stören. Häufig ist die Lunge betroffen, aber auch in Augen, Haut, Herz oder dem Nervensystem kann sich die Krankheit ausbreiten.

Die NGFN-Wissenschaftler hatten schon lange Hinweise darauf, dass eine gewisse Neigung, an Sarkoidose zu erkranken, vererbt wird. „Es gibt Familien, in denen gleich mehrere Angehörige unter der Krankheit leiden, während die seltsame Entzündung in anderen Familien fast nie auftritt“, erklärt Dr. Jochen Hampe vom Kieler Institut für klinische Molekularbiologie. Der junge Wissenschaftler aus Schreibers Team entdeckte jetzt das erste Krankheits-Gen für Sarkoidose. Es liegt auf Chromosom 6 und trägt eine veränderte Bauanleitung für das Eiweiß BTNL2, das in Zellen des Immunsystems vorkommt.

Fehlerhafte Übersetzung eines Protein-Bauplans (Schema)

Ein einziger falscher Gen-Buchstabe (rotes Stäbchen auf dem DNA-Strang) ist schuld daran, dass das Eiweiß BTNL2 fehlerhaft hergestellt wird.

 

„BTNL2 beeinflusst eine Entzündungsreaktion, über die bestimmte weiße Blutkörperchen aktiviert werden“, erläutert Hampe. „Durch den Austausch eines einzigen Gen-Buchstabens fehlt BTNL2 eine Region, mit der es normalerweise in der Zellhülle verankert ist. Ohne diese Verankerung kann das Eiweiß seine Funktion nicht mehr erfüllen und das Abwehrsystem des Körpers gerät aus dem Gleichgewicht.“ Ist eine der beiden BTNL2-Kopien verändert, steigt das Krankheitsrisiko um 60 Prozent an. Wenn beide Genkopien betroffen sind, verdreifacht sich die Wahrscheinlichkeit an Sarkoidose zu erkranken.

„Die Entdeckung des BTNL2-Gens ist ein Durchbruch für die klinische Forschung zur Sarkoidose“, meint Prof. Müller-Quernheim, Lungenspezialist der Universitätsklinik Freiburg, die an dem Projekt beteiligt war. „Unser Fernziel, den Verlauf und den Therapieerfolg vorherzusagen, ist dadurch näher gerückt.“

Homepage der Wissenschaftler

 

 

Aufruf:

Für die Studie zur Verursachung der Sarkoidose werden noch Familien gesucht, in denen zwei oder mehr nahe Angehörige an Sarkoidose erkrankt sind oder waren. Von den Teilnehmern wird eine Blutprobe benötigt, die beim Hausarzt abgenommen werden kann. Den Teilnehmern und ihren Ärzten entstehen keine Kosten. Wenn Sie das Forschungsvorhaben mit Ihrer Teilnahme oder duch die Vermittlung einer mehrfach betroffenen Familie unterstützen wollen, wenden Sie sich bitte an:

Dr. med. Manfred Schürmann
Institut für Humangenetik
Universität Lübeck
Ratzeburger Allee 160
22538 Lübeck
Fax: 0451/500 4187

Internet: http://www.humangenetik.uni-luebeck.de

Eine telefonische Auskunft ist leider nicht möglich.

 
NGFN

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