Immun-Abwehr im Darm außer Kontrolle

Die Zellen der Darm-Schleimhaut sind eine wichtige Barriere, die den menschlichen Köprer vor dem Eindringen von Schadstoffen und Bakterien schützt. Wenn diese Barriere durchlässig wird, treten oft Entzündungskrankheiten auf. Die Entzündungsreaktion ist eigentlich eine Abwehrmaßnahme gegen die unerwünschten Eindringlinge, die jedoch häufig mehr schadet als dass sie nützt. Denn in einer Überreaktion schädigt das Immunsystem das eigene Darm-Gewebe: Schmerzen, Durchfall und Geschwüre sind die Folgen eines außer Kontrolle geratenen Immunsystem, das Amok gegen den eigenen Körper läuft.

Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes haben gleich drei Krankheitsanlagen für die chronische Darmerkranung "Morbus Crohn" nachgewiesen: DLG5 ist ein Eiweiß, das im Stützgerüst von Zellen der Darmschleimhaut vorkommt. Ein einziger veränderter Gen-Buchstabe im DLG5-Gen genügt, um das Erkrankungsrisiko um 50% zu erhöhen. Der Fehler im Bauplan verändert DLG5 an funktionell wichtigen Stellen, so dass sich das Eiweiß nicht mehr richtig an andere Bausteine des Zellgerüstes anlagern kann. Die Darmzellen halten dann nicht mehr stabil zusammen und die Schutzfunktion der Darm-Schleimhaut gegenüber Bakterien und anderen körperfremden Substanzen ist stark beeinträchtigt.

Das andere Krankheits-Gen "CARD15" hatten die NGFN-Wissenschaftler bereits im Herbst 2001 gefunden – gleichzeitig mit Forscherteams aus Frankreich und den USA. CARD15 trägt die Information für ein Eiweiß, das bei der Abwehr von Bakterien im Darm eine wichtige Rolle spielt. Es erkennt bestimmte Bestandteile auf der Bakterien-Oberfläche und wirkt dann wie eine "Alarmglocke", die über eine Kette von biochemischen Reaktionen das Immunsystem mobilisiert. 

Nur ein einziger "falscher" Baustein in der DNA des NOD2/CARD15-Gens führt dazu, dass die Wahrscheinlichkeit einer chronischen Darmentzündung um bis zu einem Faktor 40 steigt. Denn wenn das Gen verändert ist, entsteht ein verkürztes Eiweiß, dass  genetische Veränderung führt zu einem fehlerhaften Zusammenbau des CARD15-Eiweiß, so dass es die Bakterien nicht mehr erkennen kann. Die fatale Folge: Die schädlichen Eindringlinge entkommen dem Immunsystem und besiedeln den Darm.

Die genetische Disposition allein erklärt die Erkrankung an Morbus Crohn oder Colitis uclerosa allerdings nicht vollständig. Gerade auch die epidemiologische und geographische Entwicklung von Inzidenz und Prävalenz der anhaltenden Darmentzündungen mit einem deutlichen Anstieg der Erkrankungshäufigkeit insbesondere in den Industriegesellschaften weist auf erhebliche Einflüsse von Umweltfaktoren in der Pathogenese von Crohn und Colitis hin.
Die intestinale Schleimhaut, die Mukosa, ist mit einer Fläche von über 200 Quadratmetern die größte Oberfläche des menschlichen Körpers. Die Deckzellschicht bildet dabei eine der wichtigsten physikalischen und immunologischen Barrieren gegen Pathogene und andere Antigene, die mit der Nahrung eindringen. Der Darm ist so unablässig einer komplexen residenten Mikroflora ausgesetzt, weshalb die Unterscheidung zwischen einer gewollten Flora und "unerwünschten" Bakterien hier von größter Bedeutung ist, um die immunologische Integrität dieser Grenzfläche aufrecht zu erhalten. Dies gewährleistet ein funktionierendes Zusammenspiel der epithelialen Barriere mit darunter liegenden spezialisierten Immunzellen. Störungen dieser Abwehrfunktion sind maßgeblich beteiligt, wenn der Mensch an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leidet.

Professor Stefan Schreiber ist sich sicher, dass außer CARD15 und DLG5 noch weitere krankheitsrelevante Gene existieren. Die Suche läuft auf Hochtouren.

 
NGFN

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