Weitere genetische Ursache geistiger Behinderung entdeckt
Gebrochenes Chromosom bei 16-jähriger Patientin brachte Heidelberger Wissenschaftler auf eine heiße Spur

Was aus Patientensicht ein tragisches Schicksal ist, kann Forscher manchmal zu wichtigen Entdeckungen führen. So geschehen am Humangenetischen Institut der Universität Heidelberg.

Dort untersuchen Professor Gudrun Rappold und ihr Team die genetischen Faktoren geistig Behinderung. Im Institut wird auch die 16-jährige Sabine (Name von der Redaktion geändert) betreut.

Sabine hat sich stark verzögert entwickelt. Sie kann weder sprechen noch sich selbst versorgen, leidet neuerdings an epileptischen Anfällen, und ihre Wirbelsäule ist stark verkrümmt.

Fundstelle Chromosomenbruch

Die Untersuchung ihres Erbguts gab den Forschern entscheidende Hinweise auf die Ursachen geistiger Behinderung. Die Wissenschaftler stellten fest, dass von Sabines Chromosom 3 ein Stück abgebrochen war. Dieses Bruchstück hatte sich an ein anderes Chromosom angelagert. Genetiker nennen diese Art von Chromosomenfehler "Translokation".

Rappold und ihr Mitarbeiter Volker Endris vermuteten schon sehr früh, dass der Chromosomenbruch etwas mit Sabines Behinderung zu tun haben könnte. Endris nahm das Chromosom 3 deshalb näher unter die Lupe.

Ergebnis: Durch den Chromosomenbruch war dort ein Gen zerstört worden, das genau an der Bruchstelle sitzt. Dieses Gen trägt die Bauanleitung für dasEiweiß MEGAP (MEntal disorder associated GAP protein, auf Deutsch: „GAP-Eiweiß, das mit geistiger Behinderung in Zusammenhang steht“).

Die Forscher dachten weiter: Wenn ein Defekt des MEGAP bei Sabine die geistige Behinderung verursacht, könnte dieses Gen auch bei anderen Betroffenen gestört sein. Sie untersuchten also weitere Patienten. Dabei beschränkten sie sich zunächst auf Menschen, die an dem so genannten 3p– Syndrom leiden. Ihnen fehlt ein Teil des Chromosoms 3.

Die Befunde bestätigten den Verdacht: Bei allen zwölf untersuchten Patienten mit 3p– Syndrom war mit dem fehlenden Teil des Chromosoms 3 auch das MEGAP vollständig verloren gegangen.

In weiteren Versuchen konnten die Heidelberger Wissenschaftler nachweisen, dass MEGAP für die Entwicklung des Gehirns und die geistige Leistungsfähigkeit sehr wichtig ist:Das Gen reguliert offensichtlich die Verknüpfung der Nervenzellen im Gehirn. Das Verständnis des Krankheitsmechanismus der geistigen Behinderung könnte die Basis zukünftiger Therapien sein.
 
NGFN

Presseinfo
Informationen für Wissenschaftler
Informationen für die Industrie

Service
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Explorative Projekte
Infektion und Entzündung
Umweltbedingte Erkrankungen
Herz-Kreislauf - Erkrankungen
Krebs
 
Erkrankungen des Nervensystems
Systematisch-Methodische Plattformen